Und der Geist ist ja so heikel… Störanfällig wie nichts.

Störanfällig wie nichts.

Der Begriff „Hypnose“ wurde abgeleitet von dem griechischen Wort hypnos = „Schlaf“. J. Braid (1846) wählte diesen Begriff, weil viele Phänomene, die seine KlientInnen während der von ihm durchgeführten Induktionsprozeduren (Tranceinduktion bezeichnet man den Prozess, bzw. alle Tätigkeiten, die dazu führen, einen Trancezustand zu erreichen, wie z.B. Phantasiereisen, Augenfixationsmethode) zeigten, ihn an schlafähnliche Zustände erinnerten.

Die hypnotherapeutische Arbeit, die eher als traditionelle, oft als klassisch bezeichnet wird, geht in ihrem Selbstverständnis generell davon aus, dass durch die Anwendung von Tranceinduktionen Menschen dabei unterstützt werden  können, bisher vorherrschende Bewusstseinszustände, die mit viel Leid und Erleben von Symptomen, Problemen und Inkompetenzen einhergehen, intensiv zu verändern und alternative Bewusstseinszustände zu entwickeln, die in hilfreicher Weise die Symptome und Leid auflösen.

Forschungsergebnisse zeigen, dass auch der heikle Geist trainierbar ist.  Durch nur 5 Minuten positives Denken täglich wird schon nach einer Woche positiveres Denken erreicht sein. Genauso oder noch mehr jedoch ist auch der heikle Geist für Negatives anfällig. Im täglichen Leben werden wir vielmehr mit Sorgen, Grübeln, negativen Denken und Ängsten konfrontiert. Wir hinterfragen oft unser Vorgehen, Handlungen und Entscheidungen. Allein in Deutschland leiden nach verschiedenen Schätzungen über zwei Millionen Menschen unter Angstsymptomen. Fast die Hälfte aller Psychotherapie in Anspruch nehmenden Patienten gehört zur Diagnosegruppe Angststörung. Doch Ängste entstehen nicht zufällig und grundlos sondern  beruhen meist auf problematischen (unverarbeiteten resp. „traumatischen“) Erfahrungen. Mit anderen Worten: Jedes Angstsymptom, so irrational es – isoliert betrachtet – auch sein mag, hatte ursprünglich sehr wohl eine sinnvolle Funktion –oder hat sie noch. Für die Therapie bedeutet das, dass es nicht darum geht, ein störendes oder dysfunktionales Verhalten zu eliminieren („weg zu suggerieren“), sondern, dass das Symptom als Ressource verstanden und genutzt wird. Allein das Verstehen des Ursprungs von  Angst kann für viele Klienten hilfreich sein.

Leider hat diese Jahrtausende alte Mentaltechnik, für die laut Schätzung, 90 Prozent der Menschen empfänglich sind, einen schlechten Ruf. Für viele ist sie reiner Schwindel oder eine Methode, Menschen zu Marionetten zu machen. Andere glauben, sie sei ein Allheilmittel gegen Kopfschuppen oder Plattfüsse zum Beispiel. Wieder anderen erscheint sie so gefährlich, dass man am besten einen großen Bogen um sie macht. Grund dafür sind Bühnenshows, in denen z.B. Erwachsene wie Babys verhalten und zwielichtige Lebensberater.  In den USA prozessieren Patientinnen gegen Therapeuten, die ihnen in Hypnose einredeten, der Satan habe sie missbraucht. Hypnose rührt an die Ängste des aufgeklärten Menschen.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um therapeutische Hypnose nach Milton H. Erickson. Also vergessen Sie die Bühnenshows.

Beim Lesen der folgenden Zeilen, versuchen Sie sich vorzustellen, dass Sie in einem bequemen Sessel oder Stuhl sitzen, einen Punkt fixieren oder die Augen geschlossen halten. Versuchen Sie die Veränderungen in Ihrem Körper und Ihrem Befinden allgemein zu beobachten:

„Sie spüren die Wärme Ihrer Hände, hören die Geräusche hier im Raum und spüren, wie sich Ihr Körper, während Sie  ein- und ausatmen bewegt. Und mit jedem Einatmen nehmen Sie etwas Positives auf und mit jedem Ausatmen geben Sie etwas ab, was Sie nicht brauchen…  Sie kennen das Gefühl, wenn Sie genau das Richtige tun ganz von selbst.. Und Sie brauchen jetzt nichts mehr tun als Ihnen, ganz in Ihrem Tempo…, die Erlaubnis zu geben, sich an Situationen zu erinnern…, die Sie voller Selbstvertrauen, sicher und mutig bewältigt haben… Und alles, was Ihnen gelingt wird Sie aufbauen, und alles andere können Sie gleich abhacken, und…und, und…“

Dies könnte eine mögliche hypnotische Induktion  sein, die die Arbeit mit den Klienten im Trance einleitet. Unter „Trance“ wird in unserer Kultur meist verstanden, dass sich jemand passiv-rezeptiv, kataleptisch, tief entspannt, ganz nach innen gerichtet, mit geschlossenen Augen intensiv absorbierend quasi in einer „anderen Welt“ erlebt, oft so „abwesend“, sodass er danach, wenn er sich wieder in das „normale“ Alltagsbewusstsein zurückorientiert, dafür eine Amnesie erlebt. Viele Klienten sagen jedoch: „Ich glaube, ich war gar nicht in Trance. Ich konnte noch alles Mögliche fühlen und hören.“ Richtig. Wenn man nämlich gar nichts mehr hört und sieht, dann ist man tot. Unter Hypnose ist sogar meistens alles, was man hört, sieht oder fühlt, viel intensiver als sonst. Wenn J. Grindler und R. Bandler (Begründer des Neurolinguistischen Programmierens (NLP) )gemeinsam ein Hypnose-Seminar leiten, sagt irgendwann einer von beiden: „ Eigentlich ist jede Kommunikation Hypnose“ und der andere antwortet: „Da muss ich widersprechen. Nichts ist Hypnose –so etwas wie Hypnose gibt es gar nicht.“ In einem gewissen Sinn sagen sie damit aber beide dasselbe, und jeder von Ihnen hat recht. Aber was ist Hypnose eigentlich und was ist sie nicht? Wozu ist sie gut und was kann sie wirklich?

Milton H. Erickson formulierte die hypnotische Psychotherapie als ein „Umerziehungsverfahren“, das alte negative Erfahrungen und hinderliche Denkmuster, die für den bewussten Verstand unerreichbar sind, in Trance durch neue innere Bilder außer Kraft setzt. Unser Unbewusstes ist wohlwollend, es hat kein Zeitgedächtnis und kennt keine Grenzen. Dies sind seine Worte  einen Psychotherapeuten, der Hunderte behandelte aber auch sein eigener Arzt und Psychologe blieb. Erickson erlebte es selbst als er  mit 17 Jahren an Kinderlähmung erkrankte: Stundenlang blickte er auf den rechten, unbeweglichen Arm und stellte sich vor, wie es sich anfühle, eine Heugabel zu halten. Bald konnte er greifen, dann an Krücken und schließlich ohne Stützen gehen. Im Alter auf den Rollstuhl zurückgeworfen, half ihm Hypnose, die Schmerzen zu ertragen. Ericksons Schüler Ernest Rossi schrieb ihm die Gabe zu, in Menschen mit seiner »hypnotischen Lyrik« (»… meine Stimme begleitet Sie überall hin, sie verwandelt sich in die Stimme Ihrer Eltern, Ihrer Lehrer, Ihrer Spielgefährten und in die Stimmen des Windes und des Regens …«) einen besonderen kreativ-spirituellen Sinn für das zu wecken, was mysteriös und faszinierend ist. Erickson galt bis zu seinem Tod 1980 in weiten Kreisen als der beste ärztliche Hypnotiseur der Welt. 

Wohlwollend… Was heißt es eigentlich genau, wenn man dieses Wort in Verbindung mit dem Unbewussten bringt?

Es heißt wörtlich, das Unbewusste will uns schützen, es will für uns das Beste und deshalb entstehen bestimmte Reaktionen, wie z.B. Angst, wenn wir uns in Gefahr befinden. Durch viele solche Reaktionen in der Vergangenheit entstehen Blockaden, die uns oft im Alltag behindern. Diese Reaktionen mögen in der Vergangenheit und beschützt haben, schalten sich aber auch später (oft unnötig) wieder ein wie eine „rote Achtung-Gefahr-Lampe“, sobald wir uns in der gleichen oder ähnlichen Situation wiederfinden. Vereinfacht gesagt, Ängste, die wir als Kinder gebraucht haben, benötigen wir als Erwachsene nicht mehr. Trotzdem sind sie da und wir haben keinen logischen, bewussten Weg, um sie auszuschalten, dadurch, dass unserer Emotionen uns viel mehr beeinflussen als der logisch funktionierende Verstand. In Trance, wenn beider Gehörnhälften zusammenarbeiten, was im bewussten Zustand nicht zulässig ist, ist es möglich, sich die Angstsituation aus der Vergangenheit (z.B. Kindheit) mit „erwachsenen Augen“ anzusehen und (dem Kind) zu erklären, dass diese zwar in diesem Moment verständlich ist (Wertschätzung)  aber einen guten Ausgang haben wird. Viele Angstsituationen werden durch das Erstarren nicht zu Ende bewusst erlebt, wobei auch die erlebte Angst hier auch „steckenbleibt“.

Studienergebnisse von Hirnforschern deuten darauf hin, dass sich in hypnotischer Trance der ewig meckernde Verstand zurückzieht. Kontrollinstanzen im Gehirn, die den Menschen zu kritischen und logischen Urteilen befähigten, seien dann wie geschwächt. Die Konsequenz: Unbequeme und unlösbare Logikkonflikte bleiben einen erspart. Der Mensch hört, sieht, fühlt, was er glaubt zu hören oder was ihm das Unbewusste liefert. „Wenn, dann“, lautet die bewusstseinsverändernde Konstruktion; sie leitet ein, was Therapeuten „posthypnotische Suggestion“ nennen – die Handlungseinweisung für den kritischen Moment. „… Und wenn Sie sich zurückorientieren haben und in diesen Raum zurückgekehrt sind, dann …(werden in Ihrer Lunge viel Sauerstoff aufnehmen und in Ihrem ganzen Körper sehr viel Kraft spüren und voller Zuversicht, Elan und Energie in den Tag hineingehen… z.B.)

Seit einigen Jahren entdecken Psychologen und Psychotherapeuten, Mediziner wie auch Zahnärzte Ericksons Lehren neu. Mitglieder des „Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie“ bewerten Hypnose als mögliche Therapie bei der Abhängigkeit von Rauschmitteln und bei somatischen Krankheiten. Zahlreiche Ärzte arbeiten in Kliniken und Praxen vor allem zur Schmerzkontrolle in Trance. Ihre Ziel ist es 2Patienten die Angst zu nehmen und ihnen ein gutes Gefühl zu bereiten“, so der Stuttgarter Zahnarzt Albrecht Schmierer. Er suggeriert seinen Patienten, sie sollten den Mund zur Reparatur abgeben und sich aufmachen an einen schönen Ort, weit weg von Bohren und Tinkturen. Die Patienten erzählen, sie fühlten sich danach entspannt wie noch lange nicht mehr. Aktuell lassen sich viele Sportler, die an den Olimpischen Spielen teilnehmen in Trance versetzen. Mentales Training hilft ihnen die Leistung zu steigern, mit Leistungsdruck umzugehen und Versagensängste zu überwinden. „…Gehen Sie noch einmal in den Wettkampf, wo Sie Weltmeister wurden.. Spüren Sie die Muskelkraft, die Anspannung in Ihren Armen, Beinen…“ So wie Erickson benutzen die Mentaltrainer und Hypnotherapeuten Tricks, die Zauberern gut bekannt sind. Sie lenken die Aufmerksamkeit in eine Richtung, während das Eigentliche woanders stattfindet. Hypnose statt Doping heißt es – und es wirkt. Und die Sportler sagen: Vertrauen reicht nicht immer. Hypnose ist besser.

Also … machen Sie es sich bequem, so dass es für Sie angenehm ist. nehmen Sie sich Zeit, so viel wie Sie brauchen, vertrauen Sie Ihrem Unbewussten, denn es ist wohlwollend, Sie können jetzt das, was Sie augenblicklich stört und belastet zur Reparatur abgeben und sich auf den Weg an einem schönen Ort machen, machen Sie eine Reise, seien Sie ganz entspannt und zuverlässig, denn das Unbewusste kann alles für Sie zu Ihrer Zufriedenheit reparieren…

LITERATUR:

DER SPIEGEL 43/2007, S. 218-223

Erickson, H. Milton; Rossi, Ernest L. (2003): „Der Februarmann. Persönlichkeits- und Identitätsentwicklung in Hypnose“

Grinder, John ; Bandler, Richard (2007): „Therapie in Trance.“

Janouch, Paul (1990): „Angstbehandlung mit Hypnose. Hypnose und Kognition.“

Janouch, Paul (1997): „Hypnotherapie bei Angststörungen. Hypnose und Kognition.“

Janouch, Paul (2004). „ Frei von Ängsten.“ In Ebell, H. & Schaukall, H. (Hrsg.) „Warum Therapeutische Hypnose?“, München: Pflaum

Kaiser Rekkas, Agnes (2005): „Im Atelier der Hypnose. Entwurf, Technik, Therapieverlauf.“

Rosen, Sidney (2006): „Die Lehrgeschichten von Milton. H. Erickson“

Schmidt, Gunther (2005): „Einführung in die hypnosystemische Therapie und Beratung.“