FOBO – Über die Angst, Entscheidungen zu treffen

FOBO – Über die Angst, Entscheidungen zu treffen

Nach einer der Grundannahmen des NLP (Neurolinguistisches Programmierens)ist die Beschaffenheit eines Individuums unter Anderem darauf gerichtet, im gegebenen Moment IMMER die richtige Entscheidung zu treffen. Es gibt keine falschen Entscheidungen, sondern Feedbacks und Erfahrungen. Explizit wird von dem gegebenen Moment gesprochen, in dem der Mensch sein bisher erworbenes Wissen und sich auf dem, in dem Moment vorhandenen Erfahrungs- und Entwicklungsstand befindet.

In der heutigen, vom Internet und von den sozialen Medien dominierten Zeit, gekennzeichnet vom Informations- und Optionsüberschuss, scheint es den Menschen zunehmend schwer zu fallen, „die richtigen Entscheidungen“ zu treffen. Die Gründe dafür scheinen dafür Gedanken zu sein, die immer nach besseren Optionen suchen und der ständige Vergleich zu anderen Menschen.

ERST KAM FOMO…

Der Begriff FOMO („Fear Of Missing Out“) etabliert sich in Zeiten von Social Media und bedeutet die Angst, etwas zu verpassen. Diese Angst wächst mit den, in den Social Media geposteten Beiträgen anderer (meistens uns unbekannten Personen), die immer das vermeintlich schöne, perfekte Leben darstellen, und die jedoch als bloße Momentaufnahmen nicht unbedingt immer die Realität widerspiegeln, sondern nur eine Inszenierung oder Kreation eines kurz gehaltenen Lebensereignisses sind. Selten oder so gut wie nie wird die ungeschminkte Wahrheit gepostet. Niemand brüstet sich mit Misserfolgen, Augenrändern, Falten, Beziehungskrisen, Unzufriedenheiten, Enttäuschungen und anderen Desastern, die in Wahrheit genauso oft oder gar noch öfter im Leben vertreten sind als Freude und Glücksmomente.

Das Bedürfnis nach Selbstdarstellung wächst mit dem zunehmenden Konsum, gesteuert von den Social Media und gleichzeitig das immer stärker zunehmenden Gefühl, nicht mithalten zu können. 

Früher schon gab es viele kritische Ansätze, die sich gegen den Fortschritt wendeten. Das Leben wird immer schneller, stressiger, lauter und leistungsorientierter. Es scheint schwer zu sein, heute noch besonders zu sein – es gibt zu viel Konkurrenz. Dies erkannte Oscar Wilde schon 1985 beimThema Leistungsgesellschaft.

„Der Mensch braucht Stille, aber der Fortschritt gab ihm Lärm. Der Mensch braucht Güte, aber der Fortschritt brachte Konkurrenz. Der Mensch braucht Gott, aber der Fortschritt brachte ihm Geld.“ (Phil Bossmans, 1922 – belgischer Ordenspriester, Seelsorger und Schriftsteller)

Das Gefühl des Versäumnisses und des Überrollt-Werdens hat seit Oscar Wilde und dem Einfluss von Social Media andere Dimensionen angenommen.

… UND DANN KAM FOBO…

Der Begriff FOBO („Fear Of Better Options“) stammt vom Geschäftsmann und Autor Patrick McGinnis.

FOBO stellt neben FOMO einen wichtigen Grund, das für die Unzufriedenheit der Meschen, die sich im Zeitalter von Social Media verstärkt ausgebreitet hat. 

Durch den von z.B. Facebook, Instragram, Twitter etc. entstehenden Eindruck, die anderen Menschen hätten ein schöneres, reicheres und erlebnisvolleres Leben, würden viel mehr besitzen und glücklicher seien, entsteht eine negative Selbstwahrnehmung mit dem Blick auf das eigene „mangelhafte“, erlebnisarme Leben. 

Epiktet (50-125), ein griechischer Philosoph sagte einst: „Wem genug zu wenig ist, dem ist nichts genug.“ Wenn also jemand das Gefühl in sich trägt, nicht genug zu haben, zu erleben, will er demzufolge, etwas dagegen tun, um das unangenehme, schmerzhafte Gefühl loszuwerden und sich zu entlasten.

Die mögliche Lösung dafür könnte das Streben nach mehr sein, mehr zu besitzen, zu erleben, um endlich das Gefühl von Zufriedenheit und Glück zu erreichen. Die besten Optionen für Entscheidungen zu wählen und das Maximum im Leben zu erreichen.

DIE MAXIMUMFALLE…

FOMO und FOBO scheinen miteinander „verwandt“ zu sein. Menschen, die unter diesen Phänomenen leiden, kreisen mit den Gedanken fast ständig um das, was sie nicht haben, um das, was sie verpassen, und ob ihre Entscheidung richtig oder optimal war, um das Beste, 100%, zu erreichen und bekommen zu können. Die Konsequenz ist die ständige Jagd nach Neuem, Besserem unter dem Aspekt, hätte, würde, könnte…

Beim Hinterherjagen verpassen sie jedoch, das zu schätzen, was sie haben, erleben sowie das Hier und Jetzt. Man könnte sagen, sie verpassen es zu leben. Dieses Phänomen ist prinzipiell nicht neu. Die Häufigkeit und die Ausprägung sind jedoch sehr gestiegen. Die Zeit vergeht subjektiv schneller, was zudem bei vielen Betroffenen Angst und Panik auslösen kann. Das Beobachten und Vergleichen, was die anderen Schönes erleben führt zusätzlich zu Frustration und Unzufriedenheit. Hinzu kommen immer schneller fließende Nachrichten, Werbeanzeigen etc. Das Resultat davon ist eine Reizüberflutung, was den Menschen das Fokussieren erschwert und die Konzentration vermindert. Ebenfalls Unverbindlichkeiten in Form von zeitlich befristeten Jobs und hoher Mobilität beeinflussen das Gleichgewicht des Seelenhaushalts negativ und führen oft dazu, dass positive Erlebnisse und Erfolge nicht mehr registriert werden.

In seinem Buch „Anleitung zur Unzufriedenheit – Warum weniger glücklicher macht“ spricht der US- amerikanische Psychologe Barry Schwartz über die Maximierungsfalle. Sein Fazit: „Es sind die Maximierer, deren Erwartungen sich nicht erfüllen lassen. Es sind Maximierer, die sich die meisten Gedanken machen über spätere Reue, über verpasste Gelegenheiten, über den Vergleich mit anderen. Und es sind Maximierer, die am enttäuschtesten sind, wenn die Ergebnisse von Entscheidungen schlechter sind als erwartet.“

DIE KUNST DER GENÜGSAMKEIT

B. Schwartz empfehlt, sich bei der Vielfalt von Optionen, auf das Wesentliche zu konzentrieren: „Wählen Sie die erste Alternative, die Ihren Ansprüchen genügt. Dann hören Sie auf zu suchen.“

Von Psychologen wird diese „Kunst der Genügsamkeit“ auch „Satisfizing“ genannt: … die Kunst, es auch mal gut sein zu lassen!

Satisfizer (übersetzt: “Zufriedensteller“) haben Schwartz nach mehr vom Leben. 

Bereits 1970 stellte der Anthropologe Reymand Birdwhistell fest, dass unsere inneren Dialoge (oder Selbstgespräche) einen 100%-igen Einfluss auf unsere und Misserfolge haben. Negative Glaubenssätze, Gedanken und Selbstgespräche lähmen und hindern uns daran, das Leben so zu gestalten und zu führen, wie wir es wollen, um glücklich zu sein. Die Glaubens- und Überzeugungssysteme, die mit unseren persönlichen Werten verknüpft sind, beeinflussen unsere Motivation, Leistungsfähigkeit und Entscheidungsfindung erheblich.

„Unsere Gedanken kommen und gehen. Nicht zu denken ist physisch eigentlich nicht möglich. (…) Wir haben etwa 18 Stunden am Tag die Möglichkeit, Förderliches oder Hinderliches zu denken, zu grübeln oder uns zu freuen. Pro Tag steuert unser Gehirn ca. 30.000 bis 60.000 Gedanken. Davon sind lediglich 3% positive, aufbauende Gedanken, 25% sind negative Gedanken und 72% sind neutrale, flüchtige bzw. unbedeutende Gedanken.“ /Eggersberger Gerhard und Markus, Psychonetik-Flowzoning und andere psychonetische Techniken)

Die Plastizität des Gehirns besagt, dass es sich immer dem anpasst, was wir vorrangig tun und denken (Neuronale Plastizität).

Laut Albert Schweitzer ist also „die größte Entscheidung unseres Lebens, dass wir unser Leben ändern können, indem wir unsere Geisteshaltung ändern“.

Hinsichtlich FOMO und FOBO könnte sich jeder Mensch die Frage stellen, ob er sich  den „Maximizern“ oder „Satisfizern“ zugehörig fühlt. Als Maximizer – laut der Theorie von B. Schwartz, ist der Mensch darauf fokussiert, die beste von den möglichen Optionen zu wählen, kommt zum Abwägen, Messen, Zählen und Vergleichen, was, durch den Überschuss an Optionen, kein Ende nehmen kann. Das führt zur Frustration, Demotivation, Unzufriedenheit und Lösungslosigkeit. Dahinter verbirgt sich eine große Angst, eine falsche Wahl zu treffen, im Vergleich zu anderen, die sich mit weniger zufrieden geben. Diese Menschen neigen schneller dazu in Depressionen, Perfektionismus, Bedauern und Leid zu verfallen.

DIE 50% THEORIE

Im Gegensatz dazu leben Satisfizer zufriedener, sind selbstbewusster, optimistischer und haben ein größeres Selbstwertgefühl.

Piotr Mosak (ein polnischer Psychologe) ist der Meinung, dass in der westlichen Kultur folgende Einstellung gilt: „Wenn eine 50%-ige Chance besteht, dass etwas gelingen könnte, sollte man handeln, da die anderen 50% aus der eigenen Einstellung und der Art zu handeln besteht.“

Ein sehr einfaches Beispiel für diese Theorie:

Angenommen, Sie haben nur 1 Euro und können sich NUR eine Kugel Eis kaufen. Die Tendenz: 50% Vanille und 50% Schokolade. Sie können nicht beide haben und auch nicht Hälfte – Hälfte. Sie könnten eine Münze werfen, intuitiv entscheiden oder an der Eisdiele der Entscheidungsunfähigkeit wegen vorbeigehen und auf das Eis ganz verzichten. Und auch wenn beide Eissorten in ihrer Attraktivität im Verhältnis 50% zu 50% stehen und Sie die 50% – Lösung wählen, können Sie sich in die Sonne setzen, die ausgewählte Sorte für die beste Entscheidung halten und das Eis genießen… oder Sie ärgern sich und stellen sich die Frage, warum Sie sich nicht für Schokolade entschieden haben… Mit dem Ergebnis, Frust, Ärger und Unzufriedenheit zu empfinden. Beides sind Entscheidungen mit dem Unterschied im Endergebnis des Gefühls, das Sie dann eventuell noch eine Weile begleitet.“

Iwona Dedek

„ Denke lieber an das, was du hast, als an das, was dir fehlt!

Suche von den Dingen, die du hast, die besten aus und bedenke dann, wie eifrig du nach ihnen gesucht haben würdest, wenn du sie nicht hättest!“

Marc Aurel, römischer Kaiser

LITERATUR/ QUELLEN

„Psychologie Heute“, Juli 2015; Artikel: „Moment mal“, Andreas Huber

Barry Schwartz: „Anleitung zur Unzufriedenheit- Warum weniger glücklich macht.“; Econ Verlag 2004

GEO, Oktober 2017; Artikel: „Kopf oder Bauch“

COSMOPOLITAN PL., Februar 2019; Artikel: „Leidest du an FOBO?“

Dr. Beate Guldenschuh-Feßler/ Dr. Roman Feßler: „Glaubenssätze“; 1. Aulage 2018 Dr. Roman Feßler

www. Eggersberger.com